Zehn Fragen zur Freiheit · 2013

SUBLIM KURSIV · INSTALLATIONSANSICHTEN · 2012

MIND ON FIRE · TEXT VON KEVIN KUHN · 2012

Seit das alphabetische Monopol – wie Friedrich Kittler bereits 1986 prophezeite – nun endgültig durch die Turin-Galaxis als Überwindung der Gutenberg-Galaxis gebrochen wurde, stellt sich die Frage nach der Zukunft des Buchs, des linearen Textes und seiner inhärenten Bedeutungsebenen. Greifen wir nach Texten, dann finden wir sie zunehmend in digitalisierter Form vor, eine Tendenz, die auf dem vernetzten Computer als Leitmedium fußt, der alle vorherigen Leitmedien zu simulieren imstande ist (Wolfgang Coy, Die Turing-Galaxis. Computer als Medien, 1993). Doch was passiert genau, wenn Schrift ihre lineare Eindimensionalität verliert, um in Form nulldimensionaler Punktelemente, die von nun an zu nulldimensionalen Bildern – bestehend aus Pixeln und verdichteten Formen – kalkuliert werden, in Erscheinung treten? Gottfried Boehm spricht in diesem Zusammenhang vom iconic turn, also von der Verlagerung von der sprachlichen auf die visuelle Information, vom Wort auf das Bild. Vilém Flusser sieht in dieser Transformation die letzte Phase seiner Mediengenealogie erreicht, die Phase des technischen Bildes als abstrakteste Stufe der Kulturgeschichte, eine Phase des Nachalphabetischen, in der Texte gänzlich ihre Bedeutung zu verlieren drohen, Texte, die „[…] (nicht mit den Händen zu fassen), unvorstellbar (nicht mit Augen zusehen) und unbegreiflich (nicht mit Fingern zu greifen) [sind]“ (Flusser; Standpunkte, 1998).

Diese Transformation vom Wort zum Bild in all seinen Ausformungen ist ein Untersuchungsfeld des Künstlers Markus Keibel, und in der Ausstellung MIND ON FIRE das zentrale Thema. In exemplarischer, eine Diskussion über das Obige anregender Geste wird das langbewährte Leitmedium Buch verbrannt und einer Metamorphose unterzogen. Doch Markus Keibel verbrennt nicht irgendwelche Bücher. Es sind die bis 1965 noch zensierten Werke der katholischen Kirche, entnommen aus dem Index Librorum Prohibitorum, im Speziellen Bücher der Aufklärung und der utopischen Erzählung, die er im ersten Schritt lesend einverleibt, dann – analog zur Digitalisierung – zu Asche zersetzt, um im finalen Schritt die Asche eines jeden Buches wieder in ein Bild zu überführen. Die Struktur des Inhalts eines Buches findet so ihre Form in der künstlerischen Einfühlung und einem immer wiederkehrenden Bildaufbau. Sprich: die Vereinigung zweier struktureller Eigenheiten, die in einem dritten, dem tatsächlichen Kunstwerk, aufzugehen hoffen.

Was bleibt sind Fragen nach der Unterschiedlichkeit von Wort und Bild, die wir uns in Markus Keibels Arbeiten gestellt sehen. Die Frage auch, ob diese Unterschiedlichkeit erfassbar, nachfühlbar ist, ob in der Zersetzung des linearen Textes qualitative oder gar auratische Eigenheiten zum Vorschein treten. Oder – pessimistisch gedeutet – ob in der Verbildlichung von Schrift sich eine Umkehrung der Aufklärung andeutet, deren Errungenschaft ja gerade die Vertextlichung von Riten und Bildern war.

Eines ist zumindest klar: Wir verlieren vieles, aber im Verlust liegt auch die Möglichkeit des Anderen, des Neuen. Was dieses „Neue“ ist, bleibt noch offen. Das gilt es zu untersuchen, und diese Untersuchungen gilt es ästhetisch darzustellen – Markus Keibel tut das für uns. Mögliche Antworten, Aussichten liegen alleine im Betrachter.

(Text: Kevin Kuhn)

MIND ON FIRE · INSTALLATIONSANSICHTEN · 2012

MIND ON FIRE . 2012

A & O . 2011

wie oben so unten . 2011

wie oben so unten . 2011

inside complexity . 2011

Messestand Preview Berlin . 2011